Mahnverfahren in Deutschland


Das gerichtliche Mahnverfahren in Deutschland

I. Die Natur des gerichtlichen Mahnverfahrens

Das gerichtliche Mahnverfahren ist ein zivilgerichtliches Spezialverfahren ohne mündliche Verhandlung, ausführliche Klageschrift und Beweiserhebung. Es ist im deutschen Recht in §§ 688 – 703 ZPO geregelt. Es ist neben der Erhebung einer normalen Zivilklage eine einfache Möglichkeit, gegen säumige Schuldner vorzugehen. Die Vorteile liegen dabei unter anderem darin, dass es billiger als eine Klageerhebung ist, ein Anwaltszwang ist nicht vorliegt, sodass es selbst betrieben werden kann und es sich um ein schnelles, automatisiertes Verfahren handelt. Das Verfahren kann gem. § 689 Abs. 1 S. 2 ZPO maschinell bearbeitet werden. Des Weiteren erfolgt auch nur eine eingeschränkte Schlüssigkeitsprüfung. Die Rechts- und  Beweislage sollte dabei möglichst eindeutig sein.

Allerdings ist die Durchführung gem. § 688 I ZPO nur zulässig, wenn es sich bei dem Antragsbegehr um eine Geldforderung handelt (bspw. Kaufpreis-, Werklohn- oder Darlehensforderungen, Mietrückstände). Diese aber in unbegrenzter Höhe. Dabei muss freilich darauf geachtet werden, dass diese Forderungen fällig, durchsetzbar und frei von Einreden sind.

Das Mahnverfahren ist also in erster Linie auf offensichtliche, also aus juristischer Sicht unproblematische Rechtslagen gerichtet. Ins besonders für solche Fälle bei denen der Schuldner voraussichtlich keine Einwände gegen die gelten gemachten Ansprüche erhebt. Nur in diesem Fall ist es ein relativ schnelles und wirksames Mittel einen Vollstreckungsbescheid zu erlangen. Denn sobald der Schuldner gegen den ihm zugestellten Mahnbescheid rechtzeitig Widerspruch einlegt, verwandelt sich das Mahnverfahren in ein normales Zivilprozessverfahren mit eingehend zu begründender Klageschrift und mündlicher Verhandlung. Es besteht allerdings die Möglichkeit bei der Beantragung des Mahnverfahrens genau diese Weiterleitung, im Falle eines erhobenen Widerspruchs, ausdrücklich abzulehnen. Es muss sich folglich zwischen Klage und Mahnverfahren entschieden werden. Dabei spielt auch der Zeitfaktor eine entscheidende Rolle, denn letztlich geht auch mit einem erfolglos durchgeführten Mahnverfahren Zeit verloren, die schon in die Klageerhebung hätte investiert werden können.

Auch gegen einen im Ausland (insb. EU-Staaten) befindlichen Schuldner ist es in manchen Fällen möglich, ein deutsches Mahnverfahren durchzuführen. Jedoch bietet sich dabei als spezielleres Verfahren, das europäische Mahnverfahren an. Dieses ist von der Verfahrensart sehr ähnlich.

II. Ablauf des Verfahrens

Das Mahnverfahren wird durch einen Antrag bei dem zuständigen Mahngericht eingeleitet. Voraussetzung eines erfolgreichen Mahnverfahrens ist, dass sich der Schuldner in Zahlungsverzug befindet. Erste Voraussetzung für den Verzug ist nach § 286 BGB, dass die Leistung des Schuldners fällig ist. Die Fälligkeit ergibt sich aus den zwischen Gläubiger und Schuldner getroffenen Absprachen (Vertragliche oder AGBs). Sobald eine Forderung fällig geworden ist, kann der Gläubiger Zahlung verlangen. Der Schuldner kommt somit grundsätzlich dann in Verzug, wenn er fällige Rechnungen nicht bezahlt, er keine Einreden entgegenhalten kann und er hierfür einzustehen hat. Ist ein Fälligkeitstermin nicht ausdrücklich vereinbart, so muss auf Verlangen des Gläubigers die Zahlung unverzüglich erfolgen.

Für die meisten Geldforderungen ist eine Mahnung grundsätzlich nötig, um den Schuldner in Verzug zu setzen. Ab Verzugseintritt kann der Gläubiger Verzugszinsen vom Schuldner fordern. Diese liegen 5% über dem Basiszinssatz.

1. Zuständigkeit

Die Zuständigkeit regelt § 689 Abs. 2 ZPO. Danach ist im Regelfall das Gericht zuständig, bei dem der Antragssteller seinen allgemeinen Gerichtsstand gem. § 12 ZPO hat. Etwas anderes gilt nur, wenn ein Bundesland ein zentrales Mahngericht bestimmt hat. Dies ist beispielsweise in Niedersachsen mit dem Amtsgericht Uelzen der Fall. Sachlich liegt die Zuständigkeit gem. § 689 Abs. I ZPO ausschließlich bei den Amtsgerichten. Auf die Höhe des Streitwerts kommt es hierbei nicht an.

Hat der Antragsteller keinen inländischen allgemeinen Gerichtsstand, so ist für das Mahnverfahren das

Amtsgericht Berlin, als zentrales Mahngericht ausschließlich örtlich zuständig. Hat ein ausländischer Antragsteller zwar keinen allgemeinen inländischen Gerichtsstand, aber eine inländische Niederlassung, so lässt die Rechtsprechung ausnahmsweise den Ort der Niederlassung als Anknüpfung für die Bestimmungen des Gerichtsstandes zu. Bei einer Mehrheit von Antragstellern mit verschiedenen allgemeinen Gerichtsständen geht die Rechtsprechung von einem Wahlrecht der Antragsteller aus.

2. Antrag

Der Mahnantrag wird in § 690 ZPO geregelt. Hierbei handelt es sich um den Antrag zum Erlass des gerichtlichen Mahnbescheids. Er kann schriftlich, per Datenübermittlung oder online eingereicht werden. Die vorgegebenen Formulare und Formblätter sind unbedingt zu nutzen und bei Gericht, Rechtsanwälten und Inkassounternehmen gem. § 690 Abs. 1 ZPO erhältlich. Der Erlass eines Mahnbescheids kann nur mit dem offiziellen Formular beantragt werden. Der Antrag kann zugleich den Antrag auf Durchführung eines Streitverfahrens für den Fall des Widerspruchs durch den Schuldner enthalten. Beide Angaben stehen bereits vorgedruckt im Antragsformular, das im Schreibwarenfachhandel (nicht beim Amtsgericht) erhältlich ist.

Inhaltlich muss er § 690 Abs. 1 entsprechen. Dabei sind insbesondere zwei Punkte hervorzuheben. Der Antrag muss einerseits die Parteien klar erkennen lassen, zum anderen hinreichend individualisierbar sein. Letzteres bedeutet, dass der Schuldner anhand des Antrags klar erkennen muss, welche Schulden der Gläubiger über das Mahnverfahren einfordert. Der Antragsteller hat den Geldbetrag, getrennt nach Haupt- und Nebenforderung, und den Anspruchsgrund (z. B. Kaufpreis) anzugeben. Die Forderung ist nicht zu begründen.

Ferner muss der Antrag, wie geschildert, die Bezeichnung der Parteien, gegebenenfalls des gesetzlichen Vertreters oder des bestellten Prozessbevollmächtigten, enthalten. Neben dem Mahngericht muss zusätzlich das Gericht benannt werden, das für ein streitiges Verfahren örtlich und sachlich zuständig ist. Schließlich muss der Mahnantrag handschriftlich unterzeichnet sein. Sollten die Angaben unvollständig sein bietet das Gericht die Möglichkeit zur Nachbesserung. Liegen allerdings die Voraussetzungen nicht vor, wird der Antrag gem. § 691 ZPO zurückgewiesen.

Mit der Bearbeitung des Mahnantrags fordert das Amtsgericht anschließend beim Antragsteller die Kosten an. Entspricht der Antrag den Voraussetzungen, erlässt das Amtsgericht nach Geldeingang einen Mahnbescheid. Dieser enthält den Hinweis, dass das Gericht die Anspruchsberechtigung nicht geprüft hat. Er weist weiter auf die Folge hin, dass ein Vollstreckungsbescheid ergehen kann, wenn nicht innerhalb von zwei Wochen Widerspruch gem. § 694 Abs. I ZPO erhoben wird.

3. Mahnbescheid

Sind die Voraussetzungen gem. §§ 688, 689, 690, 703c Abs. 2 ZPO erfüllt, erlässt das Gericht  einen Mahnbescheid. Dieser wird dem Antragsgegner vom Gericht automatisch ohne vorherige Anhörung des Schuldners, von Amts wegen gem. § 693 Abs. I ZPO, zugestellt. Grundsätzlich soll der Mahnbescheid aber erst mit dem Eingang der Gerichtskosten gem. § 12 GKG erlassen werden. Mit der Zustellung des Mahnbescheids wird auch die laufende Verjährungsfrist gehemmt gem. § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB. Der Mahnbescheid enthält gem. § 692 Abs. I ZPO u.a. die Angabe der eingeforderten Ansprüche, Hinweise zum Widerspruch und der Entstehung eine Vollstreckungsbescheids, sowie, dass das Gericht die Begründetheit der Ansprüche nicht geprüft hat.

4. Widerspruch gegen den Mahnbescheid

Der Antragsgegner kann gegen den Mahnbescheid Widerspruch erheben gem. § 692 Abs. I Nr. 4 ZPO. Der Widerspruch gegen den Mahnbescheid ist vom Antragsgegner schriftlich zu erheben. Im Interesse einer zügigen Bearbeitung empfiehlt sich hierbei die Verwendung des Widerspruchsvordrucks. Anerkannt sind aber auch die Einlegung durch Telebrief, Telefax oder Fernschreiben, sowie der zu Protokoll der Geschäftsstelle des zuständigen Amtsgerichts erklärte Widerspruch. Eine Begründung ist nicht erforderlich. Die Widerspruchsfrist beträgt zwei Wochen ab der Zustellung des Mahnbescheids oder einen Monat bei zulässiger Auslandszustellung. Ein später eingehender Widerspruch ist aber gem. § 694 Abs. I ZPO auch noch wirksam, wenn noch kein Vollstreckungsbescheid erlassen worden ist. Ein rechtzeitiger Widerspruch führt dazu, dass der Gläubiger auf Grund des Mahnbescheids keinen Vollstreckungsbescheid beantragen kann. Ein verspäteter Widerspruch wird gem. § 694 Abs. II ZPO als Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid gewertet.

Mit der Einleitung des Widerspruchs geht das Mahnverfahren im Regelfall in ein normales (das ordentliche oder streitige) Gerichtsverfahren über. In diesem Verfahren kann sich der Antragsgegner gegen den behaupteten Anspruch sachlich zur Wehr setzen.

III. Vollstreckungsbescheid

Nach Ablauf der Widerspruchsfrist gem. § 692 Abs. I Nr. 3 ZPO des Antragsgegners wird der Mahnbescheid rechtskräftig. Daraufhin kann der Gläubiger auf Grund des Mahnbescheids einen Vollstreckungsbescheid gem. § 699 Abs. I ZPO beantragen. Der Antrag muss jedoch innerhalb einer Frist von sechs Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt ab dem Zeitpunkt der Zustellung des Mahnbescheides zu laufen (vgl. § 701 ZPO). Dieser wird gem. §§ 699 Abs. I, 700 Abs. I ZPO vom Gericht erlassen und gem. § 699 Abs. IV ZPO, von Amts wegen, zugestellt. Er kommt gem. § 700 Abs. 1 ZPO einem vorläufig vollstreckbarem Versäumnisurteil gleich. Sollte der Schuldner gegen den Vollstreckungsbescheid keinen Einspruch erheben wird dieser gem. § 794 Abs. 1 Nr. 4 ZPO zu einem durch Zwangsvollstreckung vollstreckbaren Titel. Die Einspruchsfrist gegen den Vollstreckungsbescheid beträgt ebenfalls 2 Wochen ab Zustellung gem. §§ 700 i.V.m. 339 ZPO.